Bis 1924 verbrachten die Bewohner Pobülls die Abende noch im Schein der Petroleumlampe. 1923 beschlossen acht Pobüller Bauern, Männer mit Initiative, kurzerhand mit eigenem Geld ein eigenes Elektrizitätswerk (Windturbine) zu bauen.
Um die Unkosten decken zu können, nahmen sie ein umfangreiches Darlehen in Husum und bei der Landesbank in Kiel auf. Die acht Bauern teilten sich die Rückzahlung anteilig nach der Größe ihres Hofes und der angeschlossenen Lampen. 1924 wurde die Anlage in Betrieb genommen. Sollwitt erhielt erst zehn Jahre später, am 20. Nov. 1934, den Anschluss an das große Stromnetz.

In einer Schrift der Vereinigten Windturbinenwerke A.G. Dresden-Reick, ist über die Pobüller Anlage wörtlich zu lesen:

„Herkules-Windturbine erbaut 1923.
Nachdem die von Ihnen gelieferte windelektrische Anlage mit 12 m Raddurchmesser und 28m Turm mit 13-kW-Winddynamo und Batterie Type J8-220 Volt zirka ein halbes Jahr in Betrieb ist und wir uns von dem sehr guten Funktionieren Ihres Fabrikats überzeugt haben, können wir nicht umhin, Ihnen unseren Dank auszusprechen für die prompte und gute Bedienung.
An einer solchen Herkules Windturbine hat man wirklich seine Freude.
Die Dorfschaft Pobüll ist acht Besitzer groß, zusammen zirka 1500 Morgen Land (7500 Demat), zirka 120 Lampen sind installiert, oben im Turm ist eine Lampe von 500 Kerzen für die Dorfbeleuchtung angebracht und jetzt werden noch 8 Elektromotoren von je ca. 5 PS zum Dreschen, Häckseln usw. aufgestellt.
Im Januar haben wir ausprobiert, wie lange die Batterie für Beleuchtung ausreicht und sind zirka 15 Tage ausgekommen. Wir haben während dieser Zeit, obgleich Wind war, nicht geladen. Die erste Ladung der Batterie haben wir ebenfalls mit Wind ausgeführt. Die Mahlmühle, die von der Windturbine angetrieben wird, ist jetzt auch angeschlossen und bringt gute Leistung.
Pobüll b. Viöl (Schlesw.-Holst.) den 7. Mai 1924 i. A. Nikolaus Clausen“

Schwarz-weiß-Bild eines Windrades mit Windfahne auf einem hohen Gerüst.

Dieses stolze Bauwerk, insgesamt 34 m hoch, war damals für Pobüll so etwas wie ein kleines Weltwunder. Pobüll war damit anderen Dörfern in der fortschrittlichen Technik, nämlich Elektrizität für Licht und zum Antrieb von Maschinen einzusetzen, um 10 Jahre voraus. Als 1935 ein großer Zahn aus dem Kammrad der Mühle herausgebrochen war, hatte das „gute Stück“ ausgedient. Ein Eisenwarenhändler aus Schwesingfeld kaufte die Mühle und montierte sie ab. Nach 12 Jahren ging damit ein Stück stolzer Pobüller Dorfgeschichte zu Ende, und somit wurde auch Pobüll 1936 an das große Stromnetz angeschlossen.

Wie kam es zum Bau der Windturbine?

Die nächsterreichbare Mühle für die Pobüller Bauern lag in Sollerup, es war eine Wassermühle. Da im Herbst und Frühjahr der Weg über Sollwitt, zumal in nassen Zeiten, unpassierbar war, mussten die Pobüller ihren Weg zur Mühle über Haselund oder Rupel nehmen. Über die Instandhaltung des Moorweges nach Sollwitt hat es mit den Sollwitter Bauern ewig Streitereien gegeben. Also bauten sie kurzerhand eine eigene Mühle. Von der Dresdener Firma erschien 1923 ein Monteur in Pobüll, er bezog bei Thames gegenüber der Baustelle Quartier.
Seine Montagearbeiter waren Carsten Erichsen von Jenniges, Hannes Kiehne, Spinkebüll (er diente bei Claves in Pobüll), und Timkens Johannes von Norstedt (er diente bei Thames). Da die Mühle nach und nach in die Höhe wuchs, haben die drei Hilfsmonteure ihr anfängliches Schwindelgefühl überwunden und den nicht ganz ungefährlichen Bau bis zu seiner Vollendung gebracht.
Die damalige Inflationszeit 1923-24 hat die Bezahlung der Mühle für die acht Pobüller Bauernfamilien außerordentlich erschwert. Nikolaus Clausen (Thames) und August Lorenzen (Lorenzes) mussten die fällig werdenden Beträge immer direkt nach Dresden bringen. In Husum wurden die Ochsen verkauft und unverzüglich setzten sich die beiden Geldboten in die Eisenbahn und fuhren die Nacht durch bis Dresden. Dennoch, wenn sie dort ankamen, war bei der galoppierenden Inflation die Mark nur noch 30 Pfennig wert, und hatte mehr als 2/3 ihres Wertes eingebüßt. Dadurch hat so mancher Ochse dran glauben müssen. Da die Rentenmark 1924 durch die stabile Reichsmark abgelöst wurde, haben die Pobüller Bauern ihre letzten Schulden nach 1924 in Reichsmark beglichen.

Wenn die Pobüller abends ihre 500 „Kerzen“-Birne zur Straßenbeleuchtung einschalteten, sagten die Haselunder:“ Nu hem de Pobüller wedder de Mond uthungen“. Die acht Bauernstellen waren Bujes, Claves, Jenniges, Thames, Jacobs, Thomses, Carstens und Lorenzes, eine neunte Bauernstelle bestand zwar schon seit 1910, der Hof Waldheims der Familie Ketelsen, war aber wegen ihrer Abgelegenheit nicht „unter Strom gesetzt“ worden.

Straßenbeleuchtung wie in Pobüll 1924-35 gab es in der damaligen jungen Gemeinde Sollwitt, sie besteht seit 1934, durch Zusammenschluss der Dorfschaften Sollwitt und Pobüll, erst wieder im Jahre 1995. Herstellung von Energie durch Windmühlen wird es 90 Jahre später ab 2014 wieder in der Gemeinde Sollwitt geben, wenn auch nicht zum eigenen Verbrauch, so wird es doch in das große Stromnetz eingespeist werden. Bei dieser großen Unternehmung wird es wohl etwas teurer werden, aber im Vergleich zu 1923 sind auch mehr Gesellschafter an der Finanzierung beteiligt.

Ralf-Jens Schütt, Sollwitt
Quellen: „Pobüller Chronik“ von Cornelius Jensen, 1984. S. 65-72.
„Hier bi uns to Hus“ v. Heinrich Carstensen u. Cornelius Jensen, 1994. S. 33-34.